Gendern oder nicht Gendern in der Werbesprache und Markensprache

Neue Marke

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Vorweg: In der Werbesprache ist alles erlaubt. Innovative Grammatik ebenso wie Sprachmix, eigene Syntax und neue Wortschöpfungen. Ob es dann gerade „hier werden Sie geholfen“ oder „Geiz ist geil“ heißen muss, liegt in der Entscheidung der Marketingverantwortlichen. Die Frage stellt sich: Gendern oder nicht Gendern in der Werbesprache und Markensprache?

Beim Marketing geht es grundsätzlich nicht um Sprachreinheit, sondern um gute – d.h. möglichst gut funktionierende – Kommunikation im Sinne der jeweiligen Werbeziele.

Gendern in Deutschland ist allerdings ein Politikum, das im Zusammenhang mit der Wokeness- und Diversity-Bewegung zu sehen ist und häufig zu Polarisierungen führt. Wie bei allen stark ideologisch geführten Diskussionen helfen rationale Argumente nicht immer, wenn abweichende Meinungen aufeinandertreffen. Dennoch – und weil uns dieses Thema täglich betrifft – setzen wir als Experten für Markensprache und als Sprachwissenschaftler uns faktisch damit auseinander.

Was zählt zum Gendern – wo fängt es an? 

Sprachliches Gendern beginnt bei der Aufzählung verschiedener biologischer Geschlechtsformen, und zwar dort, wo es grammatisch nicht notwendig wäre, also bereits bei „liebe Kundinnen und Kunden“, nicht aber bei „sehr geehrte Damen und Herren“. Letzteres ist eine höfliche und gebotene Anrede, wenn männliche und weibliche Personen angesprochen werden – oder wenn man (z.B. bei Briefen) nicht weiß, welches Geschlecht die Zielpersonen besitzen. 

Die Erwähnung beider Geschlechter wie bei „Kundinnen und Kunden“ oder „Freundinnen und Freunde“ kann dann Sinn ergeben, wenn besonders betont werden soll, dass beide Geschlechter angesprochen werden. Konsequent ließe sich eine solche Erwähnung zweier biologischer Geschlechter in der gesamten Kommunikation nur schwer durchhalten, müsste es dann nämlich auch „Katzen- und Katerfutter“ sowie „Fußgänger- und Fußgängerinnen-überweg“ heißt. Das klingt nicht nur komisch, sondern ist sprachökonomisch äußerst umständlich.

Die Sache mit dem Stern und der Pause

Um dieser sprachökonomischen Falle zu entgehen, haben „Aktivist*innen“ das Gendersternchen und die Sprechpause erfunden. Der Argumentation der Initiatoren nach, soll diese Sprechpause auch dazu dienen, alle nicht-binären Menschen mit einzuschließen. Diese auffälligste Form des Genderns widerspricht allerdings nicht nur einer über Jahrhunderte entwickelten Sprachästhetik. Sie offenbart auch das größte Manko der Gendersprache im Marketing: Gute Markensprache ist immer authentisch – diese Art der Gendersprache ist das gerade nicht.

Kaum eine Baustelle ohne Umleitung

Das „Umständliche“ bei der Nutzung des Gendersternchens sowie seiner Alternativen in Form von Doppelpunkten, Querstrichen oder dem mit einer „Binnenversalie“ (= Großbuchstabe inmitten eines Wortes) angehängten „Innen“ sind auch den Initiatoren aufgefallen. Deshalb wurden scheinbar geschlechtsneutrale Partizipialkonstruktionen entwickelt, was uns Wörter wie Studierende, Radfahrende, Zufußgehende und Mitarbeitende beschert hat. 

Das klingt nicht nur ungewöhnlich, sondern ist semantisch in vielen Fällen falsch. Wenn z.B. gesagt wird „über fünfzig Mitarbeitende haben das Unternehmen verlassen“, dann arbeiten sie eben nicht mehr mit und können demzufolge keine „Mitarbeitende“ mehr sein. Wenn „Radfahrende“ an der Ampel „stehen“, sind sie eben keine „Radfahrenden“ mehr – wohl aber Radfahrer. Noch kurioser wird es, wenn dem Wort nach aktiv „Schwimmende“ ertrinken oder „Zuschauende“ nicht aufpassen, was auf der Bühne passiert.

Warum Gendern?

Immer häufiger werden Unternehmen, Verlage und Redaktionen von Initiativen wie „Neue deutsche Medienmacher*innen“ und anderen selbsternannten Aktivisten aufgefordert, ihre Sprache zu gendern. Zuweilen drohen diese direkt oder indirekt mit Shitstorms oder „Canceling“ in den sozialen Medien, wenn diesen Forderungen nicht Folge geleistet wird.

Der Umgang damit ist recht unterschiedlich. Viele Medien – insbesondere die öffentlich-rechtlichen – und viele öffentliche Verwaltungen beugen sich diesen Forderungen. Einige widerwillig, viele aber auch freiwillig und in einer Art vorauseilenden Gehorsams sogar proaktiv. Sie wollen damit Fortschrittlichkeit, Diversität und eine bessere Sichtbarmachung von Frauen und etwaigen weiteren Geschlechtern demonstrieren.

Unternehmen gehen mit dem Thema wesentlich differenzierter um. Einige gendern „ein wenig“, andere mehr und wieder andere weichen in ihrer Kundenkommunikation auf Englisch aus.

Die Faktenlage

Faktisch hat das grammatische Geschlecht in der deutschen Sprache rein gar nichts mit dem biologischen Geschlecht einer Person oder eines Tieres zu tun. Anders ist es nicht zu erklären, warum es beispielsweise der Busen und die Prostata heißt, oder dass man der Esel, das Pferd und die Antilope sagt. Und es gibt auch keineswegs nur generische (bzw. grammatische) Maskulina, sondern auch viele generische Feminina. Wenn jemand „die Katzen“ sagt, sind damit i.d.R. Kater genauso mitgemeint, wie Hündinnen, wenn allgemein von „den Hunden“ die Rede ist. Und wenn man Hühner hält, kann auch ein Hahn dabei sein. Ebenso kann ein Mann die Vertretung oder die Aufsicht sein wie eine Frau als der Überraschungsgast kommen kann.

Sprache ist immer schon dynamisch gewesen. Insbesondere die deutsche Sprache entwickelt ständig Lehnwörter, die aus anderen Sprachen (in den letzten 70 Jahren besonders aus dem Englischen) einwandern, und bildet auch aus anderen Gründen Neologismen (= neue Wörter) wie zum Beispiel „Handy“ oder „Smartphone“. Das geschieht immer „von unten nach oben“ (also ohne Vorgaben) und vor allem aus zwei Gründen: Entweder, weil es etwas Neues zu bezeichnen gibt, oder um etwas einfacher und schneller sprechen und schreiben zu können. 

So klingt „googeln“ halt einfacher, als „mit Suchmaschine im Internet suchen“ (Blog-Artikel). Jugend- und Szenesprachen steuern dem deutschen Wortschatz ebenfalls regelmäßig neuen Vokabeln zu. Oft geht es dabei nur darum, sich durch ihren Gebrauch von anderen zu unterscheiden bzw. dadurch eine Gruppenzugehörigkeit auszudrücken.

In Vor-Gender-Zeiten wurden vom Sprachgebrauch abweichende Sprechweisen und Vokabeln vor allem in totalitären Gesellschaften „verordnet“. So durfte die Berliner Mauer in der DDR lediglich „antifaschistischer Schutzwall“ genannt werden und im Dritten Reich wurde politisch nicht genehme Kunst „entartete“ Kunst genannt oder brutaler Rassismus „Rassenhygiene“. Diese verordnete Sprache war nicht authentisch und daher weniger nachhaltig. 

Das Problem der Gendersprache ist weniger ihr Anliegen. Denn es sollte völlig natürlich sein, Ungleichheiten wahrzunehmen und darauf entsprechend zu reagieren. Beispielsweise Frauen sichtbarer machen zu wollen – wenn es auf diese Art funktionieren würde. Das Hauptproblem der Akzeptanz liegt in der mangelnden Sprachästhetik und Sprachökonomie, die bestimmte Formulierungen schnell floskelhaft erscheinen lässt.

Was will der Markt?

Die bisher vorliegenden Erkenntnisse der Marktforschung und Demoskopie sind eindeutig.  Eine deutliche Mehrheit der Deutschen mag weder Gendersternchen und Gendersprechpausen noch gender-begründete Partizipialkonstruktionen in der deutschen Sprache. Laut ZDF-Politbarometer vom Juli 2021 fanden 71 Prozent die Verwendung von Gendersternchen und Sprechpausen „nicht gut“. Bei einer RTL-Umfrage vom 21.08.2022 mit über 20.000 Teilnehmern, sprachen sich sogar 93,32 Prozent gegen das Gendern aus. Selbst unter Jugendlichen ist diese Art der Sprache nicht besonders beliebt, wenn man Umfragen diverser Medien zu diesem Thema als Indizien heranzieht. Hier tut sich offenbar eine Schere zwischen medialer Elite und der Gesamtbevölkerung auf.

Letztendlich zählt die eigene Identität.

Es gibt keine Standardempfehlung zu diesem Thema, zumal – wie anfangs erwähnt – eine ideologiefreie und unpolitische Auseinandersetzung mit dem Thema Gendersprache kaum möglich ist. Unternehmen sollten die Authentizität ihrer Sprache zum Maßstab nehmen:

  • Glaubt man meine Formulierungen, oder nimmt man sie eher als vermeintlich politisch korrekte Floskeln wahr? 
  • Wie spricht meine Zielgruppe? 
  • Nimmt man den etwaigen Marketing-Protagonisten ab, dass sie zu Hause im privaten Freundeskreis auch so sprechen wie in der Kundenansprache?

Manchmal ist es wichtig, beide Geschlechter zu erwähnen, weil vielleicht traditionelle Rollenbilder stark verhaftet sind. So mag es durchaus Sinn machen, beispielsweise statt von „Feuerwehrleuten“ bewusst von „Feuerwehrmännern und -frauen“ zu sprechen. 

Wer als Unternehmen und als Marke sein Engagement für Diversität und Frauenpower nach außen zeigen möchte, tut dies wahrscheinlich auf anderen Ebenen glaubwürdiger: durch seine Einstellungspraxis, die Art der Besetzung von Führungspositionen und flexiblen Arbeitszeit- und Kindebetreuungsangeboten als durch eine vermeintlich gendergerechte Sprache.

Um nochmal an den Anfang anzuknüpfen:

Alles ist erlaubt. Was besser und sympathischer wirkt, entscheidet letztendlich ganz unideologisch der Markt.

Auch bei diesem kontroversen Thema freuen wir uns über Anmerkungen, Meinungen und Erfahrungsaustausch.